Kreuzigung Jesu - warum? Wozu?

Geschrieben für Gottesdienst in der’Eglise Française de Berne, Gründonnerstag 2011

Text mit Bildern von Willy Fries, Zyklus Passion, 1935-1945
Die KreuzigungReichGottes.pdf
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Bibeltext : Markus 14, 32-36 (Zürcher Bibel)
Und sie kommen an einen Ort, der Getsemani heisst. Und er sagt zu seinen Jüngern: Bleibt hier sitzen, solange ich bete. Und er nahm Petrus und Jakobus und Johannes mit sich, und er begann zu zittern und zu zagen. Und er sagt zu ihnen: Meine Seele ist zu Tode betrübt, bleibt hier und wacht! Und er ging ein paar Schritte weiter, fiel zu Boden und betete, dass, wenn es möglich sei, die Stunde an ihm vorübergehe. Und er sprach: Abba, Vater, alles ist dir möglich. Lass diesen Kelch an mir vorübergehen! Doch nicht, was ich will, sondern was du willst.

Meditation


Dieser Kelch wird nicht vorübergehen.

Ich glaube, Jesus, das ist dir schon bei Beginn deines Wirkens klar geworden. Mit deinem ganzen Sein hast du nach Mitteln gesucht, um dein Volk von seinem Leiden zu befreien. Als dir der Teufel ein solches scheinbar unfehlbares Mittel angeboten hat – die Macht über alle Königreiche der Welt – war dies tatsächlich eine Versuchung. Aber du hast nachgedacht und erkannt, dass das Reich Gottes dem Menschen, geschaffen nach dem Ebenbild Gottes und demnach zur Freiheit bestimmt, nicht aufgezwungen werden kann. Hättest du dieses Angebot angenommen, hättest du dich wirklich dem Teufel unterworfen. Besitz- und machtlos hast du dich auf den Weg gemacht.


Schon seit einer Weile jetzt, kaum drei Jahre später, erkennst du, dass die Zeit gekommen ist. Die Mengen sehen immer mehr den Messias in dir, den sie mit Ungeduld erwarten, damit er sie vom Joch des römischen Reiches befreie.


Am ersten Tag dieser Woche bist du in Jerusalem eingezogen, reitend nicht auf einem eines Königs würdigen Pferd, sondern auf einem deiner, des Menschensohns würdigen Eselsfüllen. Du weisst schon seit langem, dass du die Erwartungen derer, die dich bejubeln, nicht erfüllen wirst. Voller Enttäuschung werden sie dich verlassen und verraten, auch die dir nächsten.


Ich sehe dich vor mir, wie du deinen Vater anflehst : „Abba, alles ist dir möglich.“ Du könntest fliehen oder dich verstecken. Aber du weisst, dass dies einem Usurpator ermöglichen würde, in deinem Namen das zu tun, was das Volk von seinem Messias erwartet. Es bleibt dir keine Wahl.


Du wirst den Willen deines Vaters tun. Du wirst gekreuzigt werden, und dieselben Mengen, die dich eben noch bejubelt haben, werden dich verspotten. Dein Tod wird für Hunderte von Jahren ein Trauma bleiben für dein Volk und für die ganze Menschheit.


Aber du wirst uns den Heiligen Geist schicken am Pfingsttag, um uns zu trösten, um in uns den Wunsch zu entfachen und zu nähren, dein Werk weiterzuführen – den brennenden Wunsch, alles zu tun, damit das Reich Gottes immer mehr Gestalt annimmt hier auf Erden, in unseren Gesetzen, in unserer Wirtschaft, in allen unseren Beziehungen und Handlungen.


In dieser unserer Welt ist die Ausübung menschlicher Macht notwendig, um dem Bösen Grenzen zu setzen. Das Reich Gottes jedoch ist gegründet auf Liebe, Freiheit, Vertrauen, Einsicht und den festen Willen jeder und jedes einzelnen, den Willen Gottes zu tun.