"Die Sonne" Nr. 3, April 1988

Traumaufgabe:

Was ist das Härteste in dieser Welt?

 

Ein Hirsch, von Jägern gehetzt, setzt über einen Bach und verschwindet in einer Felshöhle. Ich folge ihm, bis ich in ein Gemach tief unter der Erdoberfläche gelange, wo mir eine altägyptische Prinzessin, indem sie aus einer Kommode ein Schublädchen nach dem anderen herauszieht, ihre Kleinodien zeigt. Mit einer Handvoll goldener Würfel spielen wir eine Weile, und ich werde dazu bestimmt, nach dem Härtesten zu suchen, das es gibt auf der Welt.

 

Zuerst denke ich, es könnte Eisen sein, doch die alten Ägypter kannten es nicht. Vielleicht ist es der seltene Edelstein Obsidian, den ich nie gesehen habe? Ich wandere durch unterirdische Gänge, durch Strassen, Tempel und Paläste, erfolglos nach dem härtesten Ding der Welt fragend, vergeblich danach ausschauend.

 

Da trete ich aus einem Palast oder Tempel heraus an einen See, von Urwald umgeben, halb versunken darin, wie Inseln, die baumbewachsenen Ruinen einer riesigen Tempelstadt.

 

Dies ist wonach zu suchen mir aufgetragen: Wasser hat die Kraft, die mächtigsten Bauten aus hartem Stein zu zerstören und zugleich neues Leben daraus wachsen zu lassen.

 

Kaum fassbar schnell springt eine mit verschränkten Beinen auf einer der verfallenen Pyramiden sitzende Götterstatue in die Höhe und versinkt wieder in der heiligen Ruhe ewiger Wandlung.

 

Text/Bild Bettina Zürcher 1988